Lensbaby
Einleitung
Das Lensbaby gibt es schon seit einiger Zeit. Seit kurzem wurden die ursprünglichen Produktenamen geändert und heute gibt es drei verschiedene Modelle im Angebot. Zusätzlich bietet das Lens-Swap System weitere Freiheitsgrade und kombiniert man das Lensbaby dann auch noch mit einem Zwischenring oder einem Telekonverter tut sich ein weites Feld von Möglichkeiten für die kreative Fotografie auf.
Muse, Control Freak und Composer
Das Muse war das erste Lensbaby das auf den Markt kam. Es bestehet aus einer Zweierlinse, die in einem beweglichen Balgen montiert ist. Der Balgen dient einerseits zum Scharfstellen, indem man die Länge des Balgen verändert, andererseits zum Tilten (Verkippen, dazu unten mehr) der Linse, um den Schärfekreis innerhalb der Abbildung zu bewegen. Man hat aber keinerlei Möglichkeiten die einmal eingestellte Position festzuhalten, da man den Balgen nicht arretieren kann. Hier kommt der Control Freak ins Spiel. Er ist also eher für ein bedächtiges, kontrolliertes Vorgehen geeignet, man kann dafür aber die einzelnen Parameter weniger schnell anpassen und spielerisch die Einstellungen verändern. Das neuste Modell ist der Composer. Hier hat man meines Erachtens die beiden Vorzüge der Vorgänger Muse und Control Freak vereint. Das Objektiv basiert nicht mehr auf einem Balgensystem sonder auf einem Kugelgelenk mit verstellbarem Tubus. Das Kugelgelenk dient dem Tilten, der Tubus dem Scharfstellen. Mit einem Ring kann das Verstellmoment des Kugelgelenkes stufenlos eingestellt werden. Zieht man den Ring ganz fest, ist das Kugelgelenk fixiert, man kann aber weiterhin scharf stellen. Das ist sehr praktisch und man kann mit diesem Objektiv sehr schön sowohl kontrolliert als auch intuitiv arbeiten. Alle unten stehende Beschreibungen sind auf alle drei Objektive anwendbar. Ich selber besitze den Composer.
Tilten
Beim Tilten wird die Objektivebene relativ zur Filmebene geneigt. Normalerweise wird diese Technik bei Grossformat-Kameras (oder mit speziellen Tilt-Objektiven an Spiegelreflexkameras) angewendet, um nach Scheinpflug eine optimal scharfe Abbildung zu erreichen. Wenn man nämlich die Objektivebene relativ zur Film- und Objektebene so neigt, dass sich alle drei Ebenen in einer Geraden schneiden, hat man die optimale Tiefenschärfe relativ zur Objektebene erreicht. Nun kann man eine theoretisch flache Objektebene schon mit offener Blende scharf abbilden, obwohl diese Ebene einen grossen Entfernungsumfang relativ zur Kamera einnehmen kann. Beim Lensbaby erzielt man aber schon bei normale Abbildung (also wenn die Objektivebene parallel zur Filmebene steht) nicht über das gesamte Bild eine scharfe Abbildung. Das liegt an der einfachen Objektivkonstruktion mit nur zwei Linsen (also ein Achromat, bei dem die beiden Linsen dazu verwendet werden Farbfehler in der Abbildungsebene zu verringern). Die scharfe (das ist natürlich ein relativer Begriff) Abbildung ist also auf einen Bildkreis begrenzt. Dessen Durchmesser wiederum hängt von der verwendeten Blende ab.
Blende
Beim Lensbaby wird nicht eine verstellbare Blende verwendet, sondern man wählt je nach Wunsch einen Blendeneinsatz. Dieser wird einfach von Vorne in das Objektiv eingesetzt. Ein Magnet hält ihn in der Halterung. Blendeneinsätze von f2,8 bis f22 sind beigelegt. Mit einem kleinen Werkzeug mit Magnetspitze können die Einsätze einfach getauscht werden. Je grösser die Öffnung (also je kleiner die Blendenzahl, i.e. 2,8), desto kleiner der Durchmesser des scharf abgebildeten Bildkreises, desto grösser die unscharfen Regionen in der Abbildung. Das Objektiv kommt normalerweise mit einem Eingesetzten Blendenring der Blende 4.
Tilten man nun das Lensbaby, wandert der scharf abgebildete Bildkreis innerhalb der Abbildung umher. Dies wird in der untenstehenden Abbildung gezeigt.
Links ist die „Normalstellung“ des Objektivs dargestellt. Die Objektivebene liegt parallel zur Abbildungsebene (Sensor oder Filmebene). Die blauen Linien stehen für den Öffnungswinkel des Objektivs, die grünen Linien stellen die Begrenzungslinien der scharf abgebildeten Region dar. Tiltet man nun das Objektiv gegen oben, so wandert der ganze Bildkreis gegen unten, die scharf abgebildete Region wandert dementsprechend ebenfalls gegen unten. Da das Bild aber auf dem Sensor/Film auf dem Kopf und seitenverkehrt steht, im Sucher das Bild aber seitenrichtig und aufrecht abgebildet wird, sieht man in Wirklichkeit durch den Sucher eine Verschiebung der scharfen Region gegen oben. Das ganze ist also sehr intuitiv: verdreht man das Objektiv gegen oben, wandert der scharf abgebildete Bildkreis ebenfalls gegen oben. Das ist aber nicht der einzige Effekt. Durch das Verdrehen wandert auch die Eben mit scharfer Abbildung gegen vorne und wird auch noch in seiner Lage relativ zum Sensor verschoben (nämlich leicht nach hinten geneigt), wie das im nächsten Bild dargestellt wird:
In Wirklichkeit handelt es sich ja nicht um eine Ebene (rote, kurze Linie auf dem Sensor) sondern eher um einen gekrümmte Fläche, wie sie durch die rote Kreislinie dargestellt wird. Wie stark das ganze gekrümmt ist hängt natürlich mit der Objektivkonstruktion zusammen. Wie man oben sieht, muss man nach dem Tilten also nachfokussieren. Des Weiteren wird man keinen scharf abgebildeten Kreis mehr erhalten, sondern einen Kegelschnitt. Man erhält also ein asymmetrischen scharf abgebildetes Gebiet. Natürlich wird sich auch diese Region mit der eingesetzten Blende verändern. Das ganze hängt von der Lage der Objekteben ab. Die dargestellte rote Linie gilt für eine Objektlinie parallel zum Objektiv.
Wichtig ist nun aber, dass man mit einem Lensbaby ein wenig anders Fotografieren muss, als man sich das von „normalen“ Objektiven und z.B. Autofokus gewöhnt ist.
Vorgehen
Man ist sich evtl. gewöhnt, bei einem Bild erst mal mittels Autofokus auf das Hauptobjekt scharf zu stellen, die Entfernung zu speichern (indem man den Auslöser halb gedrückt hält) um dann den Bildausschnitt zu wählen. Die Belichtung speichert man entweder bei der Scharfstellung mit ab oder man misst nachdem man den endgültigen Ausschnitt gewählt hat.
Beim Lensbaby geht das nicht in dieser Reihenfolge, da man ja beim Tilten die scharf abgebildete Region innerhalb der Abbildung verschoben hat. Man wird also je nach Tilt-Grad im Zentrum nie ein scharfes Bild erhalten. Ausserdem gibt es beim Lensbaby kein Autofokus und die Blendenautomatik funktioniert auch nicht. Man wird also anders vorgehen müssen. Als erstes ist es von Vorteil ein Gefühl zu bekommen, inwiefern sich die scharf abgebildete Region innerhalb des Bildes bewegen lässt. Da ja beim Tilten nochmals nach-fokussiert werden muss (s. oben), kann man nicht einfach einwenig hin und her Tilten und beobachten, wie der Schärfekreis im Bild wandert. Am einfachsten man macht diese ersten Übungen mit einer strukturierten, ebenen Fläche, die parallel zur Sensorebene liegt. Man richtet z.B. das Objektiv senkrecht nach unten und fotografiert den Boden (in meinen Aufnahmen ein Boden mit Kieselsteinen). Man muss sich natürlich wieder an das manuelle Fokussieren gewöhnen. Es ist zu beachten, das man das Objektiv nach oben und unten weniger Tilten muss als nach Rechts und Links, da man ganz einfach immer ein Querformat vor sich hat (angenommen man hält die Kamera waagerecht). Nach ein wenig Übung kann man das Objektiv z.B. so scharf stellen, dass der scharf abgebildete Bereich im unteren, linken Goldenen Schnitt zu liegen kommt. Nun plaziert man ein Objekt genau dort und stellt scharf. Oder man fängt ganz einfach mit zentrischen Objekten an, um überhaupt mal ein Gefühl für den Unschärfekreis und das Scharfstellen an sich zu bekommen. Es ist wichtig nicht zu viele Parameter gleichzeitig zu verändern, damit man die einzelnen Effekte getrennt studieren kann.
Sieht man also ein Objekt sollte man sich zuerst überlegen in welchem Bereich man das Objekt im Bild platzieren möchte, stellt den Tilt dann entsprechend ein und stellt scharf. Das tönt ein wenig kompliziert aber mit der Zeit hat man das Tilten im Griff und die beiden Schritte werden mehr oder weniger parallel ausgeführt. Der Composer spielt hier seine Stärken aus. Ist man noch nicht sehr geübt fixiert man erst einmal eine Tiltposition und nimmt ein paar Objekte auf bevor man eine andere Tiltposition oder einen anderen Blendeneinsatz ausprobiert.
Belichtung
Da man beim Lensbaby keine variable Blende hat, wird die Kamera diese auch nicht verändern können. Bei Canon Kameras ist das kein Problem. Da keine Blendenkontakte detektiert werden, misst die Kamera mit Arbeitsblende und zeigt „00“ im Display an. Die Automatik bei Blendenvorwahl (Zeitautomatik, Av) funktioniert also hervorragend. Will man bei gleichbleibendem Schärfekreis die Belichtungszeit variieren, ist es am einfachsten die Sensorempfindlichkeit zu ver�ndern.
Kombination mit Extension Tubes und Telekonverter
Das Lensbaby ist gerade für den Einsatz im Makrobereich interessant, da man hier sehr schön mit der Unschärfe gestalten kann bzw. unwichtige Bildteile in den unscharfen Bildbereich verschiebt und somit eine stärkere Bildaussage erreicht. Das Lensbaby lässt sich von Haus aus nicht als Makroobjektiv einsetzten; beim Composer liegt die Naheinstellgrenze bei ca. 45cm. Mit einem Zwischenring (Extension Tube) kann man die Naheinstellgrenze herabsetzten. Bei einer Brennweite von 50mm (das ist die Standardbrennweite des Lensbabys) benötigt man 50mm Zwischenring, um auf einen Abbildungsmassstab von 1:1 zu erhalten. Ich habe drei verschiedene Ringe, die man beliebig kombinieren kann, der längste hat 31mm. Schon mit diesem Ring kann man sehr schön in den Makrobereich vorstossen. Allerdings ist zu beachten, dass beim Einsatz eines Zwischenringes der Bildkreis grösser wird und somit die Leuchtdichte abnimmt, i.e. das Bild wird dunkler was zu einer erschwerten Scharfeinstellung führt. Will man noch zusätzlich stärker abblenden, um den Tiefenschärfebereich zu vergrössern, wird das Bild schnelle einmal zu dunkel um noch genau genug fokussieren zu können. Hier wird der Nachteil des Arbeitens mit Arbeitsblende besonders augenscheinlich und man wird sich wohl auf grössere Blendenöffnungen konzentrieren. Aber wenn man lieber alles im Bild scharf haben möchte sollte man eher kein Lensbaby sondern ein konventionelles Objektiv mit Zwischenringen oder ein Makroobjektiv verwenden.
Ein kleiner Nachteil ist beim Makroeinsatz die kurze Brennweite des Lensbabys von 50mm, was ein starkes Annähern an das Objekt erfordert. Im Makrobereich werden ja gerade aus diesem Grund längere Brennweiten, typischerweise um 100mm verwendet. Man kann natürlich auch einen Telekonverter verwenden, der zwar die Abbildungsleistung des Lensbabys verringert, dafür aber die Brennweite erhöht. Auch dies geht nur mit einem Blendenverlust einher bei einem 1,4x Extender sind es eine Blende, bei einem 2fach Telekonverter sind es zwei Blenden. Das Bild wird also ebenfalls dunkler und schwerer zu fokussieren. Da man aber mit einem Telekonverter die gleiche Naheinstellgrenze wie beim Originalobjektiv hat, die Brennweite aber grösser ist, wird das Objekt auf dem Sensor grösser abgebildet. Man erreicht also durch den Telekonverter nicht nur eine Verlängerung der Brennweite sonder auch eine Vergrösserung des maximal erreichbaren Abbildungsmassstabes.
Wie gross ist denn nun der Abbildungsmassstab des Lensbabys? Den Abbildungsmassstab kann man wie folgt berechnen:
Abbildungsmassstab = Brennweite ⁄ (Gegenstandsweite − Brennweite)
Bei 50mm und 45cm erhält man also: 50mm/(450mm-50mm)=50/400=1:8
Wendet man nun einen 1,4 bzw. einen 2x Konverter an, vergrössert sich die Brennweite auf 70mm bzw. 100mm. Man erhält nun:
Abbildungsmassstab 1,4x Konverter: 70mm/(450mm-70mm)=70/380= 1:5,4
Abbildungsmassstab 2x Konverter: 100mm/(450mm-100mm)=100/350= 1:3,5
Mit einem Telekonverter kann man zwar den Abbildungsmassstab deutlich vergrössern, ein Makroobjektiv (normalerweise bis 1:1) erhält man aber nicht.
Lens Swap System
Wie wenn man nicht schon genügend Variablen zur Verfügung ständen, bietet Lensbaby auch noch ein Lens-Swap System an. Man kann vier verschiedene Objektiveinsätze mit allen drei Lensbabymodellen kombinieren. Folgende Einsätze sind erhältlich:
- Doppel-Glas Optik (diese liegt standardmässig einem Lensbaby bei bzw. ist schon eingebaut, es handelt sich um eine beschichtete Doublette, also einen „Zweilinser“)
- Einfach Glasoptik (nur eine Linse, unbeschichteter Singlet, also ein „Einlinser“, 50mm Brennweite)
- Plastikoptik (nur eine Linse, Singlet, 50mm Brennweite)
- Pinhole/Zoneplate (Lochkamera mit Blende 177 oder Zonenplatte mit Blende 19)
Die Doppelglas-Optik erlaubt als einzige Optik eine scharfe Abbildung in der Bildmitte (oder je nach Tilt an einem anderen Ort). Die einfache Glasoptik ist unschärfer (oder positiv ausgedrückt softer), die Plastikoptik noch softer.
Interessant ist der Pinhole Vorsatz, bei dem man aus seiner Kamera ganz einfach eine Lochkamera basteln kann. Das ist natürlich auch mit einem Kameradeckel mit einem sehr kleinen Loch möglich. Der optimale Durchmesser einer Lochkamera kann folgendermassen berechnet werden:
Dopt=Wurzel(b), wobei b der Abstand des Loches vom Sensor (in Meter) ist, Dopt in mm
Bei einem Abstand von 50mm erhält man also für Dopt einen Wert von 0,2mm.
Das Loch sollte in ein möglichst dännes Medium gebohrt (bzw. gestochen) werden. Am einfachsten man bohrt ein grösseres Loch in einen Kameradeckel und klebt darauf eine Alufolie, in die man vorher ein möglichst kleines, rundes Loch gestochen hat. Allerdings kann man dann im Gegensatz zum Lensbaby nicht Tilten.
Bei einer Lochkamera wird das Bild ohne jegliche Optik erzeugt, man hat also nur Diffraktion (Streuung) und keine Refraktion (Brechung) durch ein Medium. Das Bild ist dementsprechend überall gleich scharf, bzw. unscharf. Da das Loch einen sehr kleinen Durchmesser hat muss man entsprechend lange belichten, das Sucherbild ist praktisch unbrauchbar und man muss vorher den Ausschnitt bestimmen. Die Blende einer Lochkamera kann man folgendermassen berechnen:
B=b/D, wobei b wieder der Abstand des Loches vom Sensor und D der Durchmesser des Loches ist.
Nimmt man für den Lensbaby Pinhole Adapter für b 50mm an und Berücksichtig die von Lensbaby angegebene Blende von 177, so erhält man einen Lochdurchmesser von 0,28mm. Das ist nahe am oben berechneten Wert.
Die Zonenplatte basiert auf Lichtbeugung. Hier werden wie bei einer Fresnellinse konzentrische Kreiselemente verwendet um ein Bild zu erzeugen. Im Gegensatz zur Fresnellinse wird aber kein transmittierendes Medium (Glas) verwendet sonder es werden schwarze und durchsichtige Bereiche auf eine Folio gedruckt, die eine Streuungsoptik bilden.
Lensbaby Gallery
Einige Bilder, die mit dem Lensbaby Composer aufgenommen wurden, finden Sie in der Lensbaby Gallery.